20. Februar 2012

Autoreninterview mit Christine Anlauff

Christine Anlauff
Wollten Sie schon immer Autor/in werden?
Nee, eigentlich wollte ich, wie jedes vierte Mädchen, entweder Schauspielerin oder Tänzerin werden. Aber wie es so ist: Beine zu kurz und nie um eine Schauspielausbildung gekümmert. Stattdessen hab ich eine Buchhändlerlehre gemacht (also die andere Seite der Schreiberei kennengelernt).

Gab es eine Art Auslöser der Sie zum schreiben gebracht hat?
Ja und nein. Ich hab mir schon immer gern Geschichten ausgesponnen und Schulaufsätze waren ein jedes Mal Fest für mich. Daran, beruflich zu schreiben, hab ich allerdings nicht im Traum gedacht. Als ich Mitte Zwanzig war, kam meine Schwester dann eines Tages mit einem Flyer für einen Jugendliteraturwettbewerb, bei dem es spannende Preise zu gewinnen gab. Ich dachte: Versuchst du es eben mal. Und hatte prompt Glück. Vielleicht war das so ein Initialerlebnis, jedenfalls hab ich von da an wieder häufiger geschrieben, die Texte an ein Jungautoren- Journal geschickt. Auf die wiederum wurde ein Journalist aufmerksam, fragte, ob ich mich nicht mal an einem Roman versuchen wollte…und plötzlich war ich Autorin. 

Haben Sie einen Autor als Vorbild?
Mehrere, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Einige (wie Peter Hoeg) beeindrucken mich durch ihre sprachliche Brillianz, andere (wie Fred Vargas) durch Witz oder (aktuell: Eugen Ruge) durch ihre präzisen Darstellungen alltäglicher Kleinigkeiten, die ihren Geschichten eine besonders sinnliche Note verleihen und einen in die Handlung schlichtweg hinein reißen, ohne dabei schwülstig zu wirken. Ich halte ständig nach Autoren Ausschau, von denen ich etwas lernen kann.

Was sind Ihre Lieblingsbücher?
Aktuell: Wie gesagt E. Ruge „In Zeiten des abnehmenden Lichts“, Peter Hoegs „Vorstellung vom zwanzigsten Jahrhundert“, Irvin D. Yaloms „Die rote Couch“,
Judtih Zanders „Dinge, die wir heute sagten“, um nur einige zu nennen. Ein absolutes Lieblingsbuch, das ich immer wieder lesen würde, habe ich hingegen nicht. Als Kind habe ich mit Hingabe das gesamte Werk von Karl May verschlungen.

Welches Genre bevorzugen Sie als Leser?
Auch da geht es einmal quer durch die Landschaft. Natürlich lese ich Krimis, dieses Genre habe ich ja nicht grundlos als eigenes Experimentierfeld gewählt. Allerdings, vielleicht liegt das in der Natur der Sache, bin ich ein mäkeliger Krimileser. Ich finde selten einen, der mich rundum zufriedenstellt. Ansonsten freue ich mich auch an guten Gegenwartsromanen und allen möglichen Arten von Unterhaltungsliteratur, solange sie nicht in Klischees abrutschen.

Was ist Ihre Lieblingsmusik?
Britischen Indie- Pop. Strokes, Kooks usw. Je gitarrenlastiger, desto besser.
Daneben aber auch alles, was tanzbar ist, und da vor allem Balkanmusik.

Haben Sie eine Art Ritual beim schreiben?
Hm. Zählt: Mit dem Laptop auf dem Balkon sitzen, rauchen und permanent Kaffeetrinken als Ritual? Im Sommer unter einem gespannten Laken – gegen die Sonne – im Winter im Skianzug, Decke um die Hüften und mit abgeschnittenen Handschuhen.(So wie jetzt.)  

Gab es bei Ihnen jemals Schreibblockaden und wenn ja was machen sie dagegen?
Bevor ich selbst zu Schreiben anfange, lese ich meist erst noch ein paar Seiten in meinem jeweils aktuellem Lieblingsroman, um mich in Stimmung zu bringen, das löst gleichzeitig auch die allmorgendliche Schreibblockade. In der Regel hilft’s. Wenn nicht, oder wenn ich an einer schwierigen Stelle hartnäckig hängen bleibe, unterbreche ich die Arbeit und mache etwas anderes. Es ist erstaunlich, wie einfach  hinterher manche Knoten platzen. Ebenfalls hilfreich, aber nicht immer zu haben: ein geduldiger Zuhörer, dem man sein Brett vor dem Kopf klagen kann. Beim Reden kommt oft auch der Ideenfluss in Gang.

Woher nehmen sie die Ideen zu ihren Büchern?
Das erste war größtenteils autobiografisch. Da gab es die Geschichte bereits, sie musste nur auf Lesertauglichkeit umgeschrieben und vor allem derb gekürzt werden. Sonst sind es kleine Begebenheiten im Alltag, Beobachtungen, Dinge, die jemand sagt, die sofort Ketten von Ideen auslösen. An Ideen mangelt es nicht, eher an Zeit, sie umzusetzen.

Ist eine Fortsetzung geplant?
Von Serrano? Die ist nicht nur geplant, sondern so gut wie fertig und erscheint im August im Aufbau Verlag. Wird eine wässrige Angelegenheit. Mit dem dritten Teil beginne ich gerade, der wird eher eisig.

Schreiben Sie Hauptberuflich oder als Hobby nebenbei?
Hauptberuflich, leider. Als Hobby würde es sicher noch mehr Spaß machen, weil es lockerer wäre. Aber ich hab schon zu viele Hobbies, von denen eines aus der Hege und Erziehung von vier Kindern besteht, da bleibt für weitere wenig Raum.

War es schwer einen Verlag zu finden?
Überraschenderweise nicht. Vom ersten Roman hab ich (nicht Serrano) eine Textprobe an eine Agentin (aus dem Internet) geschickt, die wollte kurz darauf das ganze Buch, und einen Monat nachdem sie es gelesen hatte, rief sie an und meinte, der Kiepenheuer Verlag hätte Interesse.
Erst später hab ich begriffen, dass ich unverschämtes Glück ich gehabt haben muss, als ich in verschiedenen Autorenforen las, wie schwierig es wäre, einen Verlag zu finden.

Beschreiben Sie sich selber in 3-4 Sätzen
Eine Selbsteinschätzung, wie gemein!
Da gebe ich lieber wider, wie andere mich einschätzen. (wobei sie natürlich irren)
Mein Mann hält mich, je nach Laune für zickig oder anregend.  Freunde für temperamentvoll, manche für witzig. (Ich sagte schon, sie irren.) Meine Mutter für unordentlich.(Das stimmt.) Mein Arzt findet, ich könnte öfter kommen. Bestimmte Sachbearbeiter auf Ämtern: Ich sollte seltener kommen.
Na ja, wie man sieht, bin ich ganz normal.

Was würden Sie als ihre herausstechenste Charaktereigenschaft sehen?
Wankelmut.

Wo würden Sie am liebsten leben und warum?
Gute Frage. Wenn ich ehrlich bin, lebe ich genau dort, wo ich leben will.
Ich könnte mir zwar auch einige Jahre im Ausland vorstellen, vorzugsweise in Indonesien oder Ägypten, aber hier bin ich (zusammen mit Serrano) zuhause. Wer „Katzengold“ gelesen hat, versteht das vielleicht. Potsdam ist eine grüne, lebendige Stadt, in der obendrein noch viele Freunde wohnen. Mehr brauche ich nicht.

Welchen Rat haben Sie für jemanden der selber schreiben möchte?
Schreiben.
Wenn er (oder sie) an Veröffentlichungen denkt: Immer im Auge behalten, dass das Buch oder der Text in erster Linie ein Geschenk für die Leser ist, nicht für einen selbst.
Liebe deine Figuren, dann werden die Leser sie später auch lieben.
Die Idee zu einer Geschichte mag noch so genial sein, sie umzusetzen bedeutet hartes Handwerk. Tu’s nur, wenn Du bereit bist, es zu lernen.

Wenn sie einen Tag in der Rolle irgendeiner Figur verbringen könnten, welche wäre das?
Irgendeiner, oder einer von meinen? Wenn irgendeiner, wäre ich gern mal  Camille, die Freundin von Kommissar Adamsberg aus den Krimis von Fred Vargas und zwar genau an dem Tag, an dem Adamsberg sie am Zug abpasst („Es geht noch ein Zug nach Gard du Nord“). Wenn aus meinen, dann Isbart das Elchhörnchen, eine Figur aus einem Kinderbuch von mir, das allerdings noch einen Verlag sucht. Oder Serrano, um zu wissen, was er nun wirklich denkt.

Was Für ein Gefühl ist es das eigene Buch in Händen zu halten?
Ich hätte es mir aufregender vorgestellt. Es ist schon toll, aber in der Regel kenne ich das Cover vorher bereits (und hab mich gehörig darüber aufgeregt), viel erhebender sind die Momente, in denen ich die Bücher für jemanden signieren darf. Denn dann weiß ich, dass sie ihr Ziel gefunden haben

Was erwarten sie von ihrer Zukunft als Autor/in
Auch eine gute Frage. Wenn ich eins gelernt habe, dann, dass man nichts erwarten darf. Es kann passieren, dass Leser sich in ein Buch, das man geschrieben hat, verlieben, es weiterempfehlen und es sich plötzlich wie wild verkauft. Oder es verkauft sich, weil der Verlag einen aus irgendeinem Grund bewirbt. Ebenso gut könnte es passieren, dass er beschließt, dich nicht mehr zu verlegen, weil die Absatzzahlen ihm zu niedrig sind. Ein Schriftsteller, der eine goldene Zukunft erwartet, muss mit Enttäuschungen rechnen. Für Verlage ist Literatur zu allererst ein Geschäft. Dennoch, egal wie es liefe, ich würde trotzdem weiterschreiben. Schon weil sich auf dem Schreibtisch die Ideen stapeln. Weil ich Lust darauf habe. Und zwar nicht nur auf Krimis, sondern zum Beispiel auch mal auf Phantasy, DEN Liebesroman, weil es ungeheuren Spaß macht, Figuren und Welten zu erfinden und sie zu erleben. Es ist wie Schauspieler sein, nur besser.

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